Laudatio zur Austellungseröffnung in Obernzell, 29. August 2014 von Dr. Martin Ortmeier

Eines muss ich gleich vorausschicken, meine sehr geehrten Damen und Herren: Haben Sie in der Ausstellung das Licht- und Schattenspiel der Abendsonne auf dem großen weinroten Quadrat gesehen? Frau Balda und ich sind uns einig: Das Licht ist der ganz große Meister, der erfahrene bildende Künstler bereitet ihm nur die Bühne.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Würzinger,

verehrte Frau Johanna Schmidt (Stellv. Vorsitzende Kunst- und Kulturkreis Oberzell),

liebe Frau Balda,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

es wäre durchaus möglich, dass eine Künstlerin, die den renommierten Kulturpreis der Dr. Franz und Astrid Ritter-Stiftung in Straubing erhalten hat, sich zu gut wäre, ihre Werke in den Ausstellungsräumen eines metropolenfernen Marktes wie Obernzell auszustellen. Nichts läge Renate Balda ferner als ein Dünkel dieser Art. Sie hat nicht vergessen, wo sie herkommt, nämlich aus dem Bayerischen Wald, und sie hat nicht vergessen, wie schwer es war und wie lange es gedauert hat, bis sie sich mit ihrer Kunst Anerkennung über einen engeren Kreis hinaus verschaffen konnte.

Sie hat es sich nicht leicht gemacht auf ihrem Weg als Künstlerin: Sie ist ihren Weg gegangen, nicht den der Erwartungen des regionalen Kunstmarktes. Renate Balda neigt nicht zu Kompromissen, insbesondere nicht bei den Ansprüchen, die sie an sich selbst und an ihre eigene künstlerische Arbeit stellt.

 

„Stumme Bilder“ nennt die Künstlerin diese Ausstellung, die sie für diesen Ausstellungsort Obernzell und für die Galerie hier im Schloss zusammengestellt hat. Stumm sind diese Bilder, insofern sie nichts Gegenständliches abbilden und schon gar nicht etwas bedeuten oder erzählen. Zwei Themen sind es, die Renate Balda umtreiben. Und die Behandlung dieser zwei Themen ist es, die mich fasziniert, seit ich vor etwa 15 Jahren zum ersten Mal ein monochromes Werk Baldas gesehen habe.

Diese zwei Themen sind: Farbe – und der Stoff, aus dem die Farbe ist. Renate Balda duldet nur einen Helfer bei ihrer Arbeit mit den Farben: das Licht. Bei den Lithographien legt sie hauchdünne Lasuren übereinander, die das „von draußen“ einfallende und vom weißen Papier reflektierte Licht auf ihrem Rückweg in unseren Augen zu Farbe machen. Auf den handgeformten Keramikplatten und -körpern lässt sie das Licht tief und ernst eindringen in raue Oberflächen und gleich daneben heiter abstrahlen von Glasuren verschiedener Farbe.

 

Die Bürger von Schilda haben versucht, in Körben Licht in ihr dunkles Rathaus zu holen. Der Versuch war, wie wir alle wissen, nicht erfolgreich. Renate Balda aber ist es gelungen: In der Farbe ihrer Werke hat sie Licht tragbar gemacht, am sinnfälligsten in dem kleinen gelben Quadrat von eingefärbtem Wachs, das so bescheiden und still ist, das aber unverbrüchlich die eine Botschaft verkündet – und insofern ist dieses Bild alles andere als stumm – dieses Werk verkündet die eine Botschaft jenes fernen Tages, als da einer sagte: Es werde Licht.

Renate Balda tut das, was die Feldmaus Frederik in dem bekannten Kinderbuch tut, die ihre im Sommer geduldig gesammelten Farberinnerungen im grauen Winter vor ihren Kameraden ausbreitet.

 

Verzeihen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich ein wenig metaphorisch und enthusiastisch wurde. Lassen Sie mich ein paar sachliche Informationen zum Werk von Renate Balda anfügen!

Das Werk, mit dem mir diese Künstlerin zum ersten Mal aufgefallen ist, war ein rotes Blatt. Der Kunstverein Passau hat diese rote Lithographie als Jahresgraphik angeboten. Das war ein Rot, das ich zuvor nicht gesehen hatte. Diese Farbe war bis dahin ungesehen. Es ist mir bis heute eine Freude, das Entstehen dieses Rot auf dem Papier zu ergründen: dieses Geduldige, dieses Insistierende des Schichtens von Lasuren verschiedener Farbtöne.

 

Wir kennen dieses Suchen nach neuen „Farben“ aus der zeitgenössischen Musik, das Herantasten an neue Töne und Klänge, das Ergründen und Erproben neuer „Klangfarben“. Diese Musikalität steckt in jedem Werk Renate Baldas. Dass die Ausdehnung im Raum hier in der bildenden Kunst mehr Gewicht hat, dort in der Musik die Ausdehnung in der Zeit, das ist selbstverständlich. Aber es geht nur um Gewichtung, nicht um entweder oder. Intensität und Abtönung, Dichte und Lasur, Kontrast und Nachbarschaft, das alles finden wird in den angesprochenen musikalischen Kompositionen ebenso wie in diesen Werken der bildenden Kunst.

Wir brauchen uns aber nicht wundern, wenn wir Musikalität in Baldas Werken finden und empfinden, denn neben der Arbeit mit dem Hafnerton und der Malerei ist das professionelle Musizieren im Hause Balda Alltag.

 

Ich will noch einmal zurückkehren zu der Grundmethode der Malerei Renate Baldas, dem Schichten von Lasuren. Danach seien noch ein paar Worte gesagt zum Materialhaften in ihrem Werk, damit verbunden ist die Frage nach dem Bildgegenstand.

Also zunächst noch einmal zur Lasurmalerei. Ich genieße es, an jedem einzelnen Werk immer wieder das Betrachten des additiven Aufbaus umschlagen zu lassen in die Wahrnehmung eines Ganzen. Das ist das Prinzip der Ganzheit, wie es vor 100 Jahren in der Gestalttheorie formuliert wurde, dass nämlich das Ganze – wenn es denn ein Ganzes sein soll und nicht lediglich ein Angesammeltes – (dass das Ganze) mehr ist als die Summe seiner Teile.

 

Dieses Ganze hat Renate Balda geschaffen. „Rot als Ereignis“ wurde dieses Farbganze einmal genannt. Hilfsweise ist es ganz treffend, wie die Jury des Ritter-Preises die Leistung Baldas beschreibt: „die Bilder von Renate Balda (…) sind Verweigerung jeglicher Gegenständlichkeit, eine Negierung von gestischen Schilderungen oder narrativen Tendenzen“.

Diese Beschreibung hilft, das Werk einzuordnen, in seiner Eigenheit wahrzunehmen. Es ist auch hilfreich, den Begriff Konkrete Kunst heranzuziehen. Was Balda macht, ist aber nur zum geringsten die Negation von etwas, es ist nur zum geringsten das Verweigern eines Gegenständlichen, eines Bedeutenden. Wir haben vielmehr in jedem Werk Baldas eine Position, die Feststellung: so ist es und ich lasse dich sehen, wie es gemacht ist.

 

Wenn wir bei der eingangs zum Vergleich herangezogenen Musik nach Signalen eines Authentischen, eines dinglich Verbürgten fragen und wenn wir diese Bürgschaft des Machens bei der Musik im Rauschen finden, dann ist das analoge Mittel bei Renate Balda das Gesteinspigment.

Ich kann die sinnliche Lust der Künstlerin nachempfinden, die ihr die Pigmente bereiten, nach denen sie auf die Suche geht, die sie als Schatz hortet und denen sie ästhetische Wirkung im anschaulichen Werk verleiht. Die Wahl des Bildträgers – sei es Leinwand, sei es Papier verschiedener Art – und die Wahl des Bindemittels – Acryl, Schellack oder, ganz wichtig, Wachs – ist wie die Entscheidung für dieses oder jenes Pigment bildwirksam. Diese materiellen Grundlagen des künstlerischen Schaffens nimmt Renate Balda sehr ernst.

 

Ich will dazu einmal die Künstlerin selbst zitieren, weil diese Aussage den großen Ernst erkennen lässt, der aus den Werken spricht, die wir hier zur Anschauung haben:

„Es geht immer um Bedingungen des Entstehens. (…) die Bedingungen im Arbeitsprozess (sind) entscheidend. Nicht dass man sich als Künstler daraus ganz zurückziehen wollte, man setzt ja immerhin noch die Bedingungen; aber etwas beiseite stehen muss man angesichts der überwältigenden Schönheit und Präsenz der Materie“ (Renate Balda).

 

„Zur Seite stehen“ muss auch jeder externe Bildgegenstand. Das Werk dient hier nicht der Bedeutung eines Anderen, es meint nur sich selbst. Das Werk selbst ist Bildgegenstand. Das ist zugleich höchste Bescheidenheit und höchster Anspruch.

Mit verschiedenen Techniken der Malerei und meisterhaft mit der Lithographie ist Renate Balda auf der Suche nach immer neuen Ereignissen der Farbe. Die Arbeit mit dem Ton und den Glasuren ist in jüngerer Zeit in den Hintergrund getreten. Das bedauere ich sehr, weil ich die derbe, unmittelbare Körperlichkeit dieser keramischen Arbeiten im Gegensatz zu den feinen, eleganten Gemälden mag.

 

Ich freue mich umso mehr, dass sich Frau Balda entschlossen hat, hier in der alten Hafnergemeinde Obernzell auch einige ihrer rar gewordenen keramischen Werke aus früheren Jahren zu zeigen. Das lässt uns einen Blick werfen auf die künstlerische Entwicklung Renate Baldas und es ist eine Ehrerbietung an den Gastgeber, der sich nicht allein auf seine Hafnertradition beruft, sondern der gemeinsam mit dem Freistaat Bayern hier im Schloss dafür sorgt, dass das Wissen um diese Geschichte nicht untergeht.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, ich danke Ihnen und Ihrer Marktgemeinde, dass Sie mit dieser Galerie und mit den hier regelmäßig ausgerichteten Ausstellungen zur Kultur in unserer Region beitragen. Dem Kunst- und Kulturverein Obernzell, der Sie dabei unterstützt, zolle ich meine volle Anerkennung.

 

Liebe Renate Balda, ich danke Ihnen, dass Sie Ihrer Heimat treu bleiben und dass Sie sich in Ihrer künstlerischen Arbeit immer treu geblieben sind – zu unserer Freude und unserem ästhetischen Genuss. Ihrer Ausstellung wünsche ich viel Erfolg, zahlreiche Besucher, Würdigung in den Medien – und einen angemessenen Verkauf, der ja, bei aller Leidenschaft Ihres künstlerischen Schaffens, Grundlage Ihrer Arbeit ist.