Einführungsrede von Dirk Martin M.A. zur Ausstellungseröffnung in der galerie linde hollinger, ladenburg, am Sonntag, den 05. September 2010

Zu den Arbeiten Renate Baldas:

 

Für die Malerei von Renate Balda wähle ich den kunstwissenschaftlichen Terminus der Analytischen Malerei. Die wesentlichen Merkmale dieser Malerei sind, dass sie keinerlei Verhältnis zu einer Welt außerhalb des Gemäldes hat; sie ist eine Malerei, die nur sich selbst zeigt, und somit Malerei als Tätigkeit und als hergestellter Gegenstand in der künstlerischen Arbeit selbst reflektiert.

Es geht in der analytischen Malerei nur noch darum, die visuellen Wirkungen der Bildfläche, unabhängig von aller Illusion, aller Abbildung und Komposition wahrzunehmen und zu untersuchen.

 

In den Blick dieser Reflexion gerät die Malerei als materielle Tätigkeit – als Verfahren bzw. als Prozess und das Gemälde als Produkt dieser Tätigkeit als vielschichtiger materieller Körper. Die technischen und objektiven Bedingungen der Analytischen Malerei, die reflektiert werden, sind: Bildträger, Farbe, Farbmaterial, Binder oder Lösungsmittel, Pinsel, Bildformat, Bildgröße, Malverfahren, Bewegungsablauf und Textur. Bei Renate Balda beruht die Wahrnehmungswirklichkeit des Gemäldes vor allem auf der Farbe, die sie mehrfach, in verschiedenen Schichten aufträgt. Wir können an den Rändern der Bildträger die einzelnen Farben ablesen. Was gibt es in dieser Sichtbarkeit der Farbe zu sehen – das genau ist die Frage, die wir uns vor den Gemälden Renate Baldas stellen sollten.

 

Die Sichtbarkeit der Farbe manifestiert sich nicht nur als materielle Oberfläche ihrer Gemälde, sondern es ist die phänomenale Wirklichkeit der Wahrnehmung von Farbe, die sie beabsichtigt. Als autonomes Gestaltungs- und Ausdrucksmittel verweist Farbe auf die eigenen spezifischen Eigenschaften. So wie Renate Balda Farbe präsentiert, spricht sie uns unmittelbar als optisches Phänomen an und vermittelt ein Gefühl für ihr Gewicht. In der bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts eröffnete die analytische Malerei ganz neue Bereiche sensueller Differenzierungen. Renate Balda will Farbe erfahrbar und erlebbar machen. Mit ihrer Malerei beschäftigt sie sich intensiv mit der strukturellen Beziehung zwischen einzelnen Farbwerten, ihrer Masse und dem Träger.

 

Wie geht sie vor?

 

Das Verfahren mit der Renate Balda ihre Gemälde herstellt ist ein ganz ungewöhnliches für diese Form der Malerei. Sie schüttet die unterschiedlichen Farbflüssigkeiten – eine nach der anderen – auf die Leinwand und lässt sie über die gesamte Fläche fließen. Es entsteht ein All-Over von Farbe zu Farbe, so dass die Farbwirkung mit der letzten Schicht vermeintlich monochrom erscheint. Renate Balda schafft durch das übereinander legen unterschiedlicher Farbschichten einen imaginären und durchscheinenden Farbraum, in dem sich das Licht je nach Intensität ganz unterschiedlich bricht und wir dementsprechend die unterschiedlichen Farben erahnen können.

 

Farbe tritt uns hier direkt und konkret entgegen. Renate Baldas Umgang und Umsetzung des künstlerischen Materials Farbe gleicht naturwissenschaftlichen Untersuchungen mit Experimenten und Versuchen, die den Materialeigenschaften und ihrer künstlerischen Auswertbarkeit gelten. Da es sich um eine Malerei handelt, die ohne Sujet, ohne Komposition, ohne mimetische oder expressive Bedeutung auskommt, sollte wir uns dieser radikalen Malerei in ästhetischer Kontemplation nähern.

 

Es sind schließlich „Bilder ohne Bilder“, denen man gerecht wird, wenn wir sie als kontemplativ begreifen. Es sind reine, stille Bilder. Sie sind autonom, zweckfrei und interesselos.